Weinetikett

Verführt durch Weinetiketten: Wie Marketing unsere Weinwahl beeinflusst

Etikettentrinker – so werden Weinliebhaber genannt, die sich beim Weinkauf weniger auf den Inhalt als auf das Etikett, die Marke oder den Preis verlassen. Statt echter Weinkenntnis zählen bei ihnen häufig Ästhetik, Prestige oder der Eindruck von Qualität.

Adelstitel, edel gestaltete Etiketten, prächtige Flaschen – all das kann unser Unterbewusstsein beeinflussen. Und nicht selten führt es dazu, dass wir einen Wein kaufen, der optisch überzeugt – aber geschmacklich gar nicht mithalten kann.

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Studien zeigen: Preis beeinflusst Geschmack

Ein berühmter Versuch unter der Leitung von Antonio Rangel (Stanford) zeigte, wie leicht sich unser Gehirn täuschen lässt. Zwanzig Testpersonen probierten fünf verschiedene Weine – mit Preisangaben von 5 bis 90 Dollar. In Wahrheit waren jedoch mehrere Flaschen mit demselben Wein befüllt.

Ergebnis: Der angebliche 90-Dollar-Wein bekam die besten Bewertungen – obwohl er identisch mit dem 10-Dollar-Wein war.

Noch erstaunlicher: Hirnscans zeigten, dass beim Trinken des teuren Weins tatsächlich mehr Glücksgefühle ausgelöst wurden. Ein klarer Beleg dafür, dass wir nicht nur mit dem Gaumen, sondern auch mit dem Kopf schmecken.

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Weinetiketten lesen – und verstehen

Warum lassen wir uns so leicht täuschen? Weil Etiketten eine starke Suggestivkraft besitzen. Worte wie "cremiger Schmelz", "fruchtiges Aroma" oder "reife Tannine" setzen gezielt Erwartungen – und beeinflussen, was wir später wirklich schmecken. Selbst der schön gestaltete Schriftzug, Goldfolie oder ein eleganter Name sorgen für ein Gefühl von Hochwertigkeit.

Marketing-Expertin Aradhna Krishna spricht deshalb davon, dass wir Wein oft „mit den Augen trinken“.

Weinetiketten-Tricks: So manipulieren Designer unser Kaufverhalten

Laut David Schuemann, einem erfahrenen Etikettendesigner, werden viele Weine absichtlich hochwertiger dargestellt als sie sind. Klassische Tricks:

  • Goldprägung und Relief-Etiketten

  • Minimalistisches Design für einen kultivierten Eindruck

  • Cremefarbener Hintergrund statt Weiß

  • 3D-Effekte in der Schrift

  • Auch Verschlusskappen und Siegel werden bewusst gestaltet

Und der Clou: Wenn uns das Design gefällt, schmeckt uns der Wein tatsächlich besser.

Oder wie eben Aradhna Krishna bei ihren Studien herausgefunden hat:

"Je besser uns das Etikett gefällt, desto besser schmeckt uns auch der Wein."

Weitere Faktoren, die den Weingeschmack beeinflussen

Nicht nur das Etikett wirkt auf unser Geschmackserlebnis ein. Auch andere äußere Faktoren spielen eine Rolle:

  • Geschichten auf der Rückseite (Storytelling) steigern den empfundenen Wert (Mora & Livat, 2013)

  • Negative Hinweise in der Beschreibung (z. B. "saurer Unterton") senken den Geschmackseindruck (Shiv & Litt, 2011)

  • Hintergrundmusik beeinflusst, welchen Wein wir kaufen (North, 1999)

  • Farbe des Weins verändert, was wir zu schmecken glauben (Morrot, Montpellier)

  • Aussprachefreundlichkeit des Weinnamens wirkt sich auf den Geschmack aus (Mantonakis, 2012)

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Was muss auf ein Weinetikett?

Damit Sie künftig Weinetiketten richtig lesen, hier die Pflichtangaben:

  • Weinname

  • Rebsorte(n) (in Prozent)

  • Jahrgang

  • Herkunft (Winzer, Region)

  • Güteklasse

  • Alkoholgehalt

  • Zusätze und Allergene

Seit 2012 müssen Weine z. B. bei Verwendung von Milch- oder Ei-Erzeugnissen Hinweise wie "Enthält Milch, Ei, Sulfite" tragen – sofern bestimmte Grenzwerte überschritten werden.

Wein kaufen: Warum der Preis kein Geschmacksindikator ist

Das Verwechseln von Preis und Qualität ist ein verbreitetes psychologisches Phänomen – Stichwort: Ankereffekt. Studien (z. B. von Dan Ariely) zeigen, dass sogar eine zufällig genannte Zahl unseren Preisrahmen beeinflusst.

Ein Beispiel: Probanden sollten anhand ihrer Sozialversicherungsnummer den Preis eines Weins schätzen – und zahlten später stark abweichende Beträge, abhängig von den letzten Ziffern dieser Nummer.

Fazit: Preis ist selten ein objektives Qualitätsmerkmal. Viel wichtiger ist: Was schmeckt Ihnen wirklich?

Psychotricks beim Weinkauf: Der Decoy-Effekt

Wenn Sie sich nicht zwischen zwei Weinen entscheiden können, hilft vielleicht ein Trick aus dem Marketing: der Decoy-Effekt. Ein dritter, scheinbar „unattraktiverer“ Wein (z. B. teuer, aber schlechter bewertet) kann als Vergleichsmaßstab dienen – und macht die Entscheidung zwischen den beiden anderen leichter.

Fazit: Weinetiketten verstehen – und mit gutem Gewissen besser trinken

Unser Geschmack wird stark von Erwartungen, Etiketten, Preisen und Kontext beeinflusst. Daher gilt:

  • Vertrauen Sie Ihrem eigenen Gaumen – nicht dem Etikett.

  • Probieren geht über studieren.

  • Der Preis sagt wenig über den Genuss aus.

… denn das Leben ist zu kurz für teuren Wein

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