Wein kaufen

Ist teurer Wein wirklich besser?

Qualität hat ihren Preis? Nicht unbedingt. Viele Weinliebhaber greifen automatisch zur teureren Flasche – überzeugt, dass höherer Preis gleichbedeutend mit besserem Geschmack ist. Doch Studien zeigen: Oft steckt derselbe Wein in verschiedenen Flaschen, und trotzdem gewinnt der teurere – ein klassischer Etikettenschwindel.

Der Marketing-Placebo-Effekt beim Wein

Wissenschaftler nennen dieses Phänomen den Marketing-Placebo-Effekt. Ähnlich wie ein Scheinmedikament wirkt ein Produkt allein durch seine vermuteten Eigenschaften – nicht durch den Inhalt.

Und das geht weit über Erwartungen hinaus: Der Effekt beeinflusst unsere Sinneswahrnehmung direkt. In früheren Experimenten steigerten teurere Energy-Drinks die Konzentrationsfähigkeit – obwohl der Inhalt identisch war. Beim Wein verhält es sich ähnlich.

Warum Weinpreis und Geschmack oft nichts miteinander zu tun haben

Eine Studie des Center for Economics and Neuroscience der Universität Bonn gemeinsam mit der INSEAD Business School zeigte, wie sehr unser Gehirn beim Weintrinken mittrinkt. Probanden kosteten identischen Wein mit unterschiedlichen Preisangaben.

Gleichzeitig wurden per Kernspintomografie relevante Hirnregionen vermessen. Das Ergebnis:

  • Größeres Striatum und präfrontaler Cortex = höhere Anfälligkeit für den Marketing-Placebo-Effekt.

  • Kleinere Inselrinde (Cortex insularis) = ebenfalls höhere Anfälligkeit.

Das Striatum reagiert auf Belohnung, der präfrontale Cortex steht für Rationalität, und die Inselrinde verarbeitet Körperwahrnehmungen. Kurzum: Wer belohnungsorientiert oder sehr rational denkt, ist leichter zu beeinflussen – auch beim Wein.

Auch Kunstwerke zeigen denselben Effekt

Die Forscher wiederholten ihre Tests mit Kunstwerken – und wieder ließ sich der Effekt beobachten. Bestimmte Gehirnstrukturen machten Teilnehmer anfälliger für hochpreisige Etiketten, unabhängig vom tatsächlichen Wert des Produkts.

Rationale Menschen lassen sich besonders leicht täuschen

Wer auf Belohnungserwartung anspringt, bewertet Weine oft anhand des Preises. Auch vermeintlich rationale Menschen lassen sich durch Marken oder Preisetiketten beeinflussen.

Wer dagegen stark auf seine Körperwahrnehmung hört, trifft objektivere Entscheidungen beim Weinkauf – unabhängig vom Preis.

Blindverkostung: Wenn die Erwartung den Geschmack verändert

Ein weiteres Beispiel: Zwei identische Rotweine in Gläsern, beschriftet mit "Wein A" und "Wein B". Die Teilnehmer sollten ohne Austausch beide probieren und bewerten.

Ergebnis:
Die Mehrheit stufte Wein A als besser und teurer ein – obwohl dieser tatsächlich günstiger war. Ein Crozes-Hermitage von Alain Graillot (2012) gewann gegen den teureren Saint-Joseph Vieilles Vignes von Domaine Faury (2012).

Fazit: Preis beeinflusst unsere Geschmackseinschätzung – oft mehr als der tatsächliche Inhalt.

Erwartungen beeinflussen den Weingenuss

Wer viel Wein trinkt oder sich intensiver damit beschäftigt, bringt automatisch bestimmte Erwartungen mit:

  • an die Region,

  • an das Weingut,

  • an die Rebsorte,

  • an die Farbe,

  • an das Etikett.

Diese Erwartungen prägen unser Urteil – bewusst oder unbewusst. Studien der Universität München zeigen, dass allein Farbe und Form des Etiketts den Geschmack scheinbar verbessern können.

Fazit: Guter Wein ist keine Frage des Preises

Nicht der Preis bestimmt den Geschmack, sondern unsere Erwartungshaltung und Wahrnehmung. Der Marketing-Placebo-Effekt zeigt, wie stark wir durch Preis, Etikett und Image beeinflusst werden – auch beim Wein.

Lust auf ein eigenes Tasting?
Entdecke unsere Weinproben!

Zurück
Zurück

Weintemperatur

Weiter
Weiter

Die teuersten Weine der Welt